KULTURKRIEG / HITLERS REDEN ZUR KUNST

Zentrum für Kunst und Medientechnologie ZKM Karlsruhe 

Im Herbst 2004 wurde die Reihe „Kunst Propaganda Dokumente“ mit dem Band „Adolf Hitler, Reden zur Kunst- und Kulturpolitik 1933-1939“ eröffnet. Auf Initiative von Peter Weibel, dem Leiter des Zentrums für Kunst- und Medientechnologie in Karlsruhe, veranstaltete das ZKM am 6. Mai 2005 das Symposium „Kulturkrieg, Hitlers Reden zur Kunst“ mit Elisabeth Bronfen, Robert Eikmeyer, Boris Groys und Wolfgang Ullrich als Referenten.

Jede Kultur ist gezwungen auf die eine oder andere Weise zwischen dem Eigenen und dem Fremden eine Unterscheidung zu treffen, das heißt ein kultureller Raum konstituiert sich strukturell durch Differenzierung und Grenzziehung. Hitler verfolgte diese Trennung und gleichzeitige Schließung auf eine bis dahin beispiellose Weise, so dass man hier zu Recht von einem Kulturkrieg sprechen muss.

Die Kultur der westlichen Moderne enthält allerdings selbst eine Vielzahl von kriegerischen Potenzialen, die generell eine Analogie zwischen Kultur und Krieg bzw. Kunst und Krieg nahe legen. In diesem Sinne hat Boris Groys Hitler als ein Produkt der radikalen Avantgardebewegungen des 20. Jahrhunderts bezeichnet. Für Künstler-Politiker vom Typus Hitler ist jede Theorie nur eine Anleitung zur Tat, eine Ansicht, die bereits während und nach dem Ersten Weltkrieg von einer Vielzahl von Künstlern vertreten wurde. Boris Groys führte auf der Veranstaltung im Wesentlichen die Thesen seines Essays „Das Kunstwerk Rasse“ aus, der als Einführung in Band 1 der Reihe KPD veröffentlicht wurde.

In nahezu allen Kulturreden Hitlers finden sich Polemiken gegen die Wirtschaft, die vor allem mit der Frage nach dem Nutzen eines Kunstwerkes verbunden werden. Das Kunstwerk ist Hitlers Ansicht nach eine unsterbliche Leistung und verkörpert einen absoluten Wert. Der Beitrag von Wolfgang Ullrich zeigte, dass Hitler mit seiner Betonung des Ewigkeitswerts der Kunst in einer langen Tradition steht. Nach Ullrich gibt es verschiedene Strategien um diesem quasi theologischen Problem der Repräsentation des Unendlichen in einer endlichen Sphäre zu begegnen. Hitler reagierte auf dieses Paradox bekanntlich mit Strategien deren destruktive Folgen in der Realität nicht zu überbieten waren.

Umso verblüffender muss es erscheinen, dass sich viele von Hitlers kulturellen Vorstellungen in der Massenkultur wiederfinden. Auf eine sanfte Art und Weise hat sich der von ihm favorisierte neoklassizistische Geschmack in vielen Bereichen der Populärkultur durchgesetzt, ohne dass dafür extra ein Kulturkrieg geführt werden musste. Kann man Busby Berkeley und Walt Disney in eine Reihe mit Leni Riefenstahl stellen? Dieser Frage ging Elisabeth Bronfen in ihrem cross-mapping der Filme „Olympia“, „Dames“ und „Bambi“ nach. Entscheidend ist für sie, wie die Wirklichkeit verstanden wird, in die diese totalisierenden Körperentwürfe umgesetzt werden sollen, nämlich ob es sich hierbei um die Welt der Politik, des Kommerzes oder der Zeichen handelt. 

 

 

Totale Mobilmachung

Vortrag: Robert Eikmeyer

Adolf Hitler hat im Zeitraum von 1933 bis 1939 eine Reihe von programmatischen Reden zur Kunst- und Kulturpolitik gehalten. Der äußere Anlass waren entweder die ab 1937 jährlich stattfindenden Ausstellungen im Haus der Deutschen Kunst in München oder die Kulturtagungen im Rahmen der Nürnberger Parteitage. Die Inhalte dieser so genannten Kulturreden sind bisher von der historischen Forschung wenig beachtet worden und galten in der Regel als konfuse, nicht ernstzunehmende Propaganda oder Demagogie. Solche Einschätzungen haben sicherlich ihre Berechtigung, denn für die beklagte „Formelhaftigkeit“, „redselige Borniertheit“ oder „ausschweifende Wiederholsucht“ (Hinz, S. 10) finden sich zahlreiche Beispiele in Hitlers Äußerungen. Liest man die Reden nur unter diesen Gesichtspunkten, dann übersieht man allerdings, dass in ihnen eine kulturelle Logik – eine Ideologik entwickelt wird – die von einer brutalen Konsequenz ist. Das, was Hitler hier ausspricht, ist nämlich nur dann „redselig“ und „borniert“, wenn man den wichtigsten Grundzug jeder totalen Herrschaft außer Acht lässt, dass die Tatsachen in einem totalitären Staat von demjenigen abhängen, der die Macht hat, sie zu etablieren, in unserem Fall also von Adolf Hitler.

Ich möchte an dieser Stelle an ein Buch von Hannah Arendt erinnern, „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“, das bereits 1951 erschienen ist und ihre berühmte Geschichte und Theorie des Totalitarismus enthält. Ich tue das, ohne näher auf die Schwächen der Totalitarismuskonzeption einzugehen. Das für unsere Betrachtung der Redeninhalte Wichtige ist, dass Hannah Arendt totale Herrschaft als eine Dreiecksbeziehung beschreibt, deren Eckpunkte man als Ideologie, Bewegung und Terror bezeichnen kann.Beginnen wir mit der Ideologie oder dem, was ich vorher als Ideologik bezeichnet habe. Genauso wie in den Kulturreden gibt es auch in der nationalsozialistischen Ideologie wenig Originelles oder Originäres; es handelt sich bei diesem Konglomerat ausnahmslos um zum größten Teil aus dem 19. Jahrhundert übernommene Ideologien und Weltanschauungen, denen kaum etwas hinzugefügt wurde. Alle wirklichen Ideologien sind für Hannah Arendt aber mehr als nur Weltanschauungen, da sie neben ihrer jeweiligen Idee eine dieser Idee innewohnende Logik enthalten, die es zu entfalten gilt. Laut Arendt unterscheidet sich z. B. „Rassismus als eine vollentwickelte Ideologie von den früheren Rassevorstellungen“ (Arendt, S. 963) dadurch, dass hier im Begriff der Rasse bereits ein Bewegungsgesetz enthalten ist – Geschichte wird demnach als ein Prozess von Rassenkämpfen verstanden, in dem es Sieg und Untergang von Völkern gibt. Genau in diesem Sinne will Hitler Weltanschauung verstanden wissen, wenn er sagt:

Schon im Worte „Weltanschauung“ liegt die feierliche Proklamation des Entschlusses, allen Handlungen eine bestimmte Ausgangsauffassung und damit sichtbare Tendenz zugrunde zu legen. Eine solche Auffassung kann richtig oder falsch sein: Sie ist der Ausgangspunkt für die Stellungnahme zu allen Erscheinungen und Vorgängen des Lebens und damit ein bindendes und verpflichtendes Gesetz für jedes Wirken.“ (Hitler, S. 43) 

Ideologien nun erheben einen „Anspruch auf totale Welterklärung“ und was noch viel schlimmer ist, „ideologisches Denken [...] emanzipiert sich von aller wahrnehmbaren Wirklichkeit“ (Arendt, S. 964) bzw. allen Tatsachen. Die eigentliche Originalität des Ideologen Hitler wie insgesamt der Nazis lag nicht in der Erfindung neuer Schlagwörter, sondern darin, dass sie bereits vorhandene „ideologische Aussagen buchstäblich ernst nahmen“ (Arendt, S 967). Diese Aufhebung des Unterschieds zwischen Denken und Handeln wurde bekanntlich bereits von Hegel eingeführt, als er postulierte, dass das Wahre das Tatsächliche sei oder anders ausgedrückt, wenn etwas den Anspruch auf Wahrheit erheben will, dann muss sich das für Hegel in der wahrnehmbaren Wirklichkeit auch zeigen. Zum ersten Mal wurde hier die Wahrheit abhängig gemacht von ihrer Durchsetzungsfähigkeit. (Boris Groys hat in seinen Vorlesungen über Gewalt und Ästhetik wiederholt auf diese Zusammenhänge hingewiesen) Hitler war sich dieser Tatsache übrigens durchaus bewusst, wenn er wiederholt Sätze wie diesen äußerte: 

„Geschichtlich wird aber sicherlich nur das Tatsächliche gemessen, das heißt, geschichtlich ist entscheidend nicht das politische Wollen oder die theoretische Betrachtung, sondern die politische Leistung, das heißt: die Tat.“ (Hitler, S. 146) 

Um diese Abhängigkeit der Tatsachen von der Macht zu verdeutlichen – das betrifft jetzt das Aufeinandertreffen von Ideologie und totalitärer Bewegung – wählt Hannah Arendt das Beispiel der Moskauer U-Bahn: „Die Behauptung, dass nur Moskau eine Untergrundbahn habe, ist nur so lange eine Lüge, als die Bolschewisten nicht die Macht haben, alle anderen Untergrundbahnen zu zerstören.“ (Arendt, S. 742/743) Wenn jetzt ein Bolschewist z. B. in Paris oder anderswo auf der Welt auf eine U-Bahn träfe, so setze das die Wahrheit nicht außer Kraft, sondern bedeute nur, dass diese Untergrundbahn eben noch zerstört werden müsse (Arendt, S. 940). Und wie wir alle wissen, zeichnete sich die nationalsozialistische Kulturpolitik nicht durch die von Hitler immer wieder in seinen Reden geforderten Höchstleistungen aus, sondern gerade durch die Zerstörung und Vernichtung zahlreicher Kulturgüter. Das betraf nicht nur, wie so häufig beschrieben, Kunstwerke, die man als „entartet“ klassifiziert hatte, also fast den gesamten Bereich der Moderne, sondern auch die Vernichtung von Kulturgütern der Vergangenheit. Ich erwähne nur die Gräueltaten, die unter dem zynischen Begriff „Ostkolonisation“ in Polen begangen wurden und die den beispiellosen Versuch darstellten nahezu das gesamte polnische Kunst- und Kulturleben auszulöschen.

Im Grunde geht es hier um den Versuch, jegliche Faktizität innerhalb der Menschenwelt auszuschalten und dieser Versuch erstreckt sich eben nicht nur auf die Gegenwart und die Zukunft, sondern wird auch auf die materielle und ideelle kulturelle Vergangenheit ausgedehnt. Das betrifft natürlich besonders die Archive als kulturelles Gedächtnis und Hitlers Linzer-Museumspläne sind sicherlich solch ein Versuch der Neuschreibung der Vergangenheit.Wenn ich jetzt also die wesentlichen Züge der in den Kulturreden entfalteten kulturellen Logik darzustellen versuche, dann sollte man nicht vergessen, dass zumindest seit 1933 die zentralen ideologischen Fiktionen mittels einer totalitären Politik in Wirklichkeit transformiert wie umgekehrt bisher vorhandene Fakten in Fiktionen verwandelt wurden. Die Kunst selbst nun wird in dieser kulturpolitischen Logik auf verschiedene Weise betrachtet. Zum einen ist sie ein Mittel zur Entfaltung der zentralen Ideologie, die als „Suprasinn“ (Arendt, S. 940) alles weitere bestimmt und der lautet für Hitler: Es existiert ein immerwährender Rassenkampf, aus dem sich der Geschichtsprozess als ein ewiger Auf- und Abstieg von Völkern ableiten lässt. So sagt er z. B. auf dem Nürnberger Parteitag von 1934: 

„Denn was spielen zwei- und dreitausend Jahre Menschheitsgeschichte für eine Rolle. Völker kommen und Völker vergehen, die großen Rassenstämme aber bleiben.“ (Hitler, S. 73)

Zum anderen beginnt die eigentliche Kunst erst dann, wenn alle diese Kämpfe zu einem Ende gekommen sind. Wirkliche Kunstwerke müssen für die Ewigkeit gemacht werden bzw. Ewigkeitswerte enthalten. Eigentlich muss es heißen, „wenn alle Kämpfe innerhalb einer Kultur zu einem Ende gekommen sind“, denn Hitlers Vorstellung von Ewigkeit und vom Ende hat nichts mit dem zu tun, was wir heute als Ende der Geschichte oder Posthistoire kennen. Geschichte ist für ihn kein fortlaufender Prozess, und da folgt er sicherlich Spengler, sondern eine Abfolge voneinander unabhängiger Kulturen oder sagen wir es noch deutlicher von Völkern (das heißt dann vage mal „die römische Welt“, dann „das Griechentum“ oder „die Antike“, „antikes Weltreich“, „das christliche Mittelalter“, „das Altertum“, etc.). Die einzelnen Kulturen werden etwas vereinfacht als Organismen oder Körper aufgefasst, die einen Alterungsprozess durchlaufen. Die von Hitler postulierten Ewigkeitswerte der Kunst treffen in einem Raum des Vergleichs aufeinander, der selbst zeitlos ist. Und dieser Raum des Vergleichs ist eben die Ewigkeit. Hier sollen die „Dokumente einer Kultur“ von der ehemaligen Größe vergangener Epochen, Kulturen und Völker zeugen. In diesem Sinne muss man auch Albert Speers vielbelächelte „Theorie vom Ruinenwert eines Baues“ verstehen, die Hitler veranlasst haben soll, die wichtigsten Bauten nach diesem „Ruinengesetz“ zu planen. Nach dem Ende des Tausendjährigen Reiches, im Raum der Ewigkeit, sollten die Überbleibsel der Bauten aufgrund ihrer Konstruktion und der Verwendung bestimmter Materialien auch als Ruinen immer noch bewundernswert aussehen und nicht etwa durch rostendes Eisen einen „trostlosen Anblick“ bieten (Speer, S.69). Und so äußert Hitler in seinen Kulturreden wiederholt Sätze wie diesen: 

„Daß es einst ein Volk der Maya gab, würden wir nicht wissen oder wenn als belanglos empfinden, wenn nicht zum Staunen der Gegenwart die gewaltigen Ruinen der Städte solcher sagenhaften Völker immer von neuem die Aufmerksamkeit erwecken und das forschende menschliche Interesse auf sich ziehen und fesseln würden. Nein: Kein Volk lebt länger als die Dokumente seiner Kultur!“ (Hitler, S. 85)

Für Boris Groys sind die Kulturreden Hitlers „von einer Doppelbewegung bestimmt: Instrumentalisierung der Kunst für die Zwecke der Politik [...] und vor allem Instrumentalisierung der Politik für Zwecke der Kunst“. (Groys, S. 26/27). Die „Kunst als Telos der Politik“ (ebd.) ist in „Das Kunstwerk Rasse“ ausführlich beschrieben worden, von daher werde ich mich in meinem Beitrag der Instrumentalisierung der Kunst für Zwecke der Politik zuwenden. Die Instrumentalisierung der Kunst für die Zwecke der Politik hat ganz im Dienst der „zentralen ideologische(n) Fiktion“ (Arendt, S. 766) zu erfolgen. Totalitäre Systeme gebrauchen hierfür eine spezielle Organisationsform und darin lag das wirklich Originelle von Hannah Arendts „Totalitarismuskonzeption“, dass sie die Organisationsform der totalen Herrschaft als Bewegung, als „totale Mobilmachung“ beschrieben hat. Die Machtergreifung stellt ihrer Ansicht nach nur ein Durchgangsstadium dar, denn nachdem die Partei an die Macht gekommen ist, will der totale Herrschaftsapparat sich weiterhin als Bewegung verstanden wissen, will „strukturlos“, amorph bleiben (Arendt, S. 832). Es kommt zu dauernden Verschiebungen der Machtzentren, das betrifft zum Teil den Führerwillen selbst, der im Zentrum der Macht ist. Jede Stabilisierung stellt nämlich eine Gefahr für die Bewegung dar (Arendt, S. 814 ff.). Um strukturlos in diesem Sinne zu bleiben, bedarf es „fluktuierende[r] Hierarchien“ (Arendt, S. 776) und Ämtermultiplikationen. Für den Bereich der Kunst hieß das, dass es vom Standpunkt der Instrumentalisierung langfristig um jeden Preis das Herausbilden eines nationalsozialistischen Stiles und klar abgegrenzter künstlerischer Institutionen zu vermeiden galt. Eine Normalisierung der Verhältnisse sollte auch hier auf jeden Fall vermieden werden, sicherlich war das Zurückgreifen der Nazis auf völkisch-nationalistische Positionen in den 20er Jahren nur eine Maskerade, um das konservative Bürgertum für die Bewegung zu gewinnen. Dogmatismus und allzu starre Positionen darf es in künstlerischen Fragen ebenfalls nicht geben. Das war einer der Gründe warum z. B. die künstlerischen Positionen aus der Kampfzeit, nennen wir sie mal etwas pauschal „Blut- und Bodenkunst“, wie sie vor allem von den völkischen Gruppierungen formuliert worden waren, nicht umgesetzt werden durften. Wiederholt greift Hitler diese Kreise um Rosenberg vehement an. Da gibt es die bekannte Passage aus der Parteitagsrede von 1934, wo Hitler zuerst die eingeschränkten Befürworter der Moderne, also des Expressionismus´ und italienischen Futurismus´ angreift – damit waren vor allem Goebbels und der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund gemeint – als zweite Gefahr für den Nationalsozialismus aber vor dem Auftauchen von „Rückwärtsen“ warnt, die niemals Nationalsozialisten gewesen seien. Ich zitiere die ganze Passage: 

„Zum zweiten aber muß der nationalsozialistische Staat sich verwahren gegen das plötzliche Auftauchen all jener Rückwärtse, die meinen, eine „theutsche Kunst“ mit „th“ geschrieben aus der krausen Welt ihrer eigenen romantischen Vorstellungen der nationalsozialistischen Revolution als verpflichtendes Erbteil für die Zukunft mitgeben zu müssen. Sie waren niemals Nationalsozialisten gewesen. Entweder hausten sie in den Einsiedeleien einer von Juden stets als lächerlich empfundenen germanischen Traumwelt, oder sie trabten fromm und bieder inmitten der Heilsscharen einer bürgerlichen Renaissance. Sie haben es nie der Mühe wert gefunden, sich mit dem nationalsozialistischen Gedankengut vertraut zu machen. Im Gegenteil, sie pflegten von der Höhe der Sprossen ihres bürgerlichen Parteistalls nur mitleidvoll herabzublicken auf das unangenehme, tumultöse Leben und Treiben der nationalsozialistischen Unruhestifter.“ (Hitler, S. 75)

Weitere Beispiele finden sich in den Parteitagsreden von 1936 und 1938: 

„Wir haben nichts zu tun mit jenen Elementen, die den Nationalsozialismus nur vom Hören und Sagen her kennen und ihn daher nur zu leicht verwechseln mit undefinierbaren nordischen Phrasen, und die nun in irgendeinem sagenhaften atlantischen Kulturkreis ihre Motivforschungen beginnen.“ (Hitler, S. 114)

„Das Einschleichen mystisch veranlagter, okkulter Jenseitsforscher darf daher in der Bewegung nicht geduldet werden. Sie sind nicht Nationalsozialisten, sondern irgend etwas anderes, auf jeden Fall aber etwas, was mit uns nichts zu tun hat.“ (Hitler, S. 200) 

Hitler war darüber hinaus überhaupt nie an herkömmlichen Stilfragen interessiert. Die Kunst soll einfach die einer Zeit gestellten Aufgaben zweckmäßig erfüllen. Bestimmte Aufgaben seien dabei nun schon einmal gelöst, das heißt ein Theater oder eine Oper sieht aus wie eine Oper des 19. Jahrhunderts, das Gleiche gilt für ein Kunstmuseum, allerdings müssen alle diese Bauten größer werden, um die Größe der Zeit zu symbolisieren. Keinesfalls dürfen aber eine Maschinenfabrik, ein Elektrizitätswerk oder ein Flughafen wie ein griechischer Tempel oder eine gotische Kirche aussehen. Für solche Bauten müssen die funktionalen Lösungen erst noch gefunden werden. Ein paar Beispiele aus den Reden: 

„Denn es ist ebenso kleinlich, beim Bau eines Theaters etwa äußerlich leugnen zu wollen, daß wir hier nur die Erneuerer und Fortführer einer bereits seit Jahrtausenden wesentlich gegebenen Institution sind, wie es umgekehrt ebenso unerträglich ist, einer modernen Maschinenfabrik oder einem Elektrizitätswerk griechische oder gotische Formelemente äußerlich aufkleben zu wollen.“ (Hitler, S. 50)

„Wir sind uns dabei bewußt, daß die Kulturschöpfungen der Gegenwart besonders auf dem Gebiete der Baukunst ebenso ewig sein sollen in der empfundenen Schönheit ihrer Proportionen und Verhältnisse wie zeitnahe in Zweckerfüllung und Materialberücksichtigung.“ (Hitler, S. 91/92) 

„Dabei bleibt eine Fülle moderner Aufgaben übrig, für die die Vergangenheit ohnehin weder Beispiele noch Vorbilder liefert. Gerade in ihnen aber ist dem wahrhaft begnadeten Genie die Möglichkeit geboten, der Formensprache der Kunst eine Erweiterung zu schenken.“ (Hitler, S. 94) 

Das gelungene Kunstwerk hat vollkommen zu sein, ist eine gelungene Synthese zwischen formaler Schönheit und erfülltem Zweck. Von daher kann nicht einfach auf die Lösungen der Vergangenheit zurückgegriffen werden, da einer Zeit z. B. durch das Aufkommen der Technik neue zu lösenden Aufgaben gestellt werden. Die Vergangenheit liefert Anhaltspunkte und hat für bestimmte Bereiche die Lösung schon gefunden, beispielsweise hat sich der Kanon für den schönen Körper schon bei den Griechen herausgebildet. 

„In dieser richtig gesehenen und wiedergegebenen Zweckmäßigkeit liegt ein letzter Maßstab für die Schönheit. Wenn andere Völker diese Schönheit nicht begreifen, dann nur deshalb, weil ihnen der Einblick in die höchste Zweckmäßigkeit verschlossen ist.“ (Hitler, S. 71) 

Zweckmäßigkeit bedeutet Schönheit und Schönheit bedeutet eben höchste Zweckmäßigkeit, mehr gibt es von der formalen und funktionalen Seite dazu nicht zu sagen. Worum es aber wirklich geht, ahnt man, wenn man Sätze wie diese liest: 

„Es ist daher auch überhaupt falsch, von einem zu suchenden „neuen Stil“ zu reden, sondern man kann nur hoffen, dass unser bestes Menschentum von der Vorsehung erwählt werden möge, aus dem blutmäßig bewegten inneren Wesen heraus die uns heute gestellte Aufgabe genau so souverän zu lösen, wie dies z. B. den arischen Völkern des Altertums gelungen war.“ (Hitler, S. 50) 

Die Kunst hat laut Hitler die Aufgabe, die „lebendige Entwicklung“ eines Volkes „zu symbolisieren“ (Hitler, S. 138) und diese Aufgabe wird der Kunst selbstverständlich durch die Politik gestellt. So sagt er: 

„Denn nicht Literaten sind die Gestalter einer neuen Epoche, sondern die Kämpfer, das heißt die wirklich gestaltenden, völkerführenden und damit Geschichte machenden Erscheinungen.“ (Hitler, S. 137) 

So lässt sich die Kunstpolitik äußerst flexibel gestalten: Zum einen weiß man als Parteifunktionär, Künstler oder zeitgenössischer Betrachter nie sicher, ob die gestellte Aufgabe selbst richtig oder falsch ist – einen „Kultraum“ zu gestalten, egal wie gut diese Aufgabe gelöst ist oder einen „Kultplatz“, ist immer falsch, da die Aufgabenstellung falsch ist, richtig wäre der Auftrag „Sportarena“ oder „Spielwiese“ gewesen, das erfahren die Parteigenossen allerdings erst auf dem Parteitag von 1938: 

„Denn der Nationalsozialismus ist eben keine kultische Bewegung, sondern eine aus ausschließlich rassischen Erkenntnissen erwachsene völkisch-politische Lehre.“ (Hitler, S. 200) 

Der Versuch die Parteigeschichte musikalisch zu symbolisieren ist ebenfalls falsch, denn dafür ist laut Hitler ausschließlich die Sprache da und so weiter. Zum anderen kann man nie wissen, ob man eine richtig gestellte Aufgabe auch richtig symbolisiert hat. Das vermag allein der richtige Betrachter, von dessen Urteil in letzter Instanz das artmäßig verwandte schöpferische Genie abhängig bleibt. Äußere Kennzeichen allein können nicht darüber entscheiden, ob die der Kunst gestellten gegenwärtigen Aufgaben „richtig“ oder „falsch“ gelöst sind. Stilfragen haben ja zunächst einmal mit Kunst überhaupt nichts zu tun, sondern gute Kunst ist eine Frage des Geschmacks. Ich war am Anfang geneigt, die Äußerungen Hitlers zu Geschmackfragen, vor allem die langen Passagen über das Genie, das der Menschheit vorauseilt, kantianisch zu interpretieren, was aber völlig falsch wäre. Hitler folgt hier konsequent einem empiristischen Standpunkt, der Geschmacksnormen in der biologischen Struktur des Menschen verankert wissen will. Und die ist für ihn nicht bei allen Menschen gleich, sondern eine Frage der richtigen oder falschen Erbanlagen, das betont er immer wieder in seinen Ausführungen: 

„Nicht der Stein oder die tote Form sind in ihrer Schönheit unvergänglich, sondern nur die Menschen sind es, die ihre Herkunft derselben Wurzel verdanken.“ (Hitler, S. 47)

„Dies ist ein fundamentaler Grundsatz: Es kann kein Mensch eine innere Beziehung zu einer kulturellen Leistung besitzen, die nicht in dem Wesen seiner eigenen Herkunft wurzelt.“ (Hitler, S. 105)

[...] zur Kunst muß man geboren sein, das heißt: die außer aller Erziehung liegende grundsätzliche Veranlagung und damit Eignung ist von entscheidendster Bedeutung. Diese Veranlagung aber ist ein Bestandteil einer Erbmasse.“ (Hitler, S. 47)

Diese kurzen Beispiele ließen sich beliebig erweitern. Erst für den Zeitraum ab 1938 spricht Hannah Arendt in Bezug auf den Nationalsozialismus dann von totaler Herrschaft, die sie mit Terror gleichsetzt (Arendt, S. 867 ff.). Jede Zweckbestimmung scheint einer zunehmenden Destruktion zu weichen. Im Juli 1939 hat Hitler seine letzte „Kulturrede“ gehalten. Hitler war, außer auf dem Gebiet der Baukunst und mit einigen Ausnahmen auf dem der Plastik, nicht besonders zufrieden mit dem aus künstlerischer Sicht bisher Erreichten. Die vordergründige Herausbildung eines aus heutiger Sicht nationalsozialistischen Formenkanons bedeutet, wie gesagt, nicht, dass dies auch das angestrebte Ziel von Hitlers Kunstpolitik gewesen ist. Wenn für die Instrumentalisierung der Politik für die Zwecke der Kunst die Ewigkeit der zentrale Begriff ist, dann ist dies meiner Ansicht nach die „Säuberung“ für die Instrumentalisierung der Kunst für die Zwecke der Politik und Politik muss man ab 1939 wohl durch das Wort Terror ersetzen. Was ursprünglich nur ein Mittel der Instrumentalisierung war, wird ab einem bestimmten Zeitpunkt selbst zum Zweck: Die Säuberung bzw. der Terror. Wenn man alle kulturpolitischen Reden Hitler gelesen hat, dann fällt einem sofort auf, wie wenig man über die zukünftige Kunst erfahren hat und wie häufig von „Säuberungen“ bzw. „Feinden und Schädlingen“ die Rede ist. Hierfür nur zwei Beispiele:

„Der Nationalsozialismus hat es sich nun einmal zur Aufgabe gestellt, das Deutsche Reich und damit unser Volk und sein Leben von all jenen Einflüssen zu befreien, die für unser Dasein verderblich sind. Und wenn auch diese Säuberung nicht an einem Tag erfolgen kann, so soll sich doch keine Erscheinung, die an dieser Verderbung teilnimmt, darüber täuschen, daß auch für sie früher oder später die Stunde der Beseitigung schlägt.“ (Hitler, S. 141)

„Wir werden von jetzt ab einen unerbittlichen Säuberungskrieg führen gegen die letzten Elemente unserer Kulturzersetzung.“ (Hitler, ebd.)

heißt es sogar noch 1937 in der Rede zur Eröffnung der „Ersten Großen Deutschen Kunstausstellung“ in München, obwohl Hitler und seine Anhänger zu diesem Zeitpunkt aus ihrer Sicht diesen so genannten Krieg doch längst gewonnen hatten. Die Vertreter der Moderne waren nämlich entweder emigriert oder in Konzentrationslagern inhaftiert – ihre Arbeiten aus den Museen entfernt, verkauft oder vernichtet worden – wichtige Museumsdirektoren waren entlassen, zahlreiche Berufsverbote ausgesprochen worden und angeblich wohlfunktionierende Kontrollorgane wachten über den „gleichgeschalteten“ Kulturbetrieb. Ich möchte um diese Stellen zu kommentieren noch einmal auf Hannah Arendts Beschreibung der totalitären Herrschaft zurückkommen. In der Organisationsform der totalen Herrschaft gibt es ihrer Ansicht nach keinen Ausstieg aus der destruktiven Bewegung der Ideologie – diese kann nur durch Hindernisse von außen gestoppt werden – da aus der Perspektive der Ideologie und der Bewegung immer neue Widerstände auftauchen werden und müssen (Arendt, S. 878 ff.). Das, was wir heute als vermeintlich nationalsozialistische Kunst kennen, hätte sich vermutlich in den durch den Terror ausgelösten Fluktuationen und Entgrenzungen zum Teil wieder aufgelöst. Ich denke, dass man diese Vermutung aussprechen kann, da es für andere Bereiche Pläne für ein siegreiches Nachkriegsdeutschland gab, die belegen, dass in die weiteren geplanten Vernichtungen auch das deutsche Volk miteinbezogen war (Arendt, S. 666). Das Vokabular dafür war auf jeden Fall für den künstlerischen Bereich schon vorhanden. Ein paar Beispiele für mögliche Vorwürfe, die erhoben werden könnten: man gehört einer „dekadenten Gesellschaftsschicht“ an, die „mit dem Volke nichts zu tun haben“ will (Hitler, S. 193), hat den „inneren Zustand“ die „Ziele seiner Zeit“ falsch wiedergegeben (Hitler, S. 198), trägt zur „Schwächung des deutschen Volkskörpers“ (Hitler, S. 124) bei, gehört zu den „Kulturverbrechern“ (Hitler, S. 82) oder ist Teil der „an der Zerstörung der Nation interessierte Kräfte“ (Hitler, S. 86), verfolgt „kapitalistische Interessen“ (Hitler, S. 94) etc etc.

Hannah Arendt, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, München Zürich 1986.

Robert Eikmeyer (Hrsg.), Adolf Hitler. Reden zur Kunst- und Kulturpolitik 1933 –

1939, Frankfurt am Main 2004.

Boris Groys, „Das Kunstwerk Rasse“, in: Eikmeyer, Adolf Hitler.

Boris Groys, Vorlesungen über Gewalt und Ästhetik, unveröffentlichtes Transkript.

Berthold Hinz, Die Malerei im deutschen Faschismus, Frankfurt am Main 1976.

Albert Speer, Erinnerungen, Berlin 1969.